Mentaltraining: Der Schlüssel zu mehr Leistung

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Perfektionist Ole Einar Bjoerndalen arbeitete gezielt auch im mentalen Bereich.
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Wenn es trotz intensiver Vorbereitung im Wettkampf klemmt, sollten Sportler, statt immer weiter ihren Körper zu trainieren, mal an einer anderen Stelle ansetzen: im eigenen Kopf. Mentalcoach Wolfgang Seidl gibt im Rahmen einer Serie Hinweise und Tipps, wie sich auf diesem Weg die Leistung steigern lässt.

Text: Wolfgang Seidl

Ole Einar Bjoerndalen, der langjährige König der Biathleten, legte so viel Wert auf mentales Training in seiner Vorbereitung, dass er einen eigenen Mentalcoach im Team hatte. Auch sein norwegischer Landsmann und Konkurrent, Emil Hegle Svendsen, war fest von der Wirksamkeit des mentalen Trainings überzeugt. Für den reinen Ausdauersport sei Paula Radcliffe, die mit einer Zeit von 2:15:25 Stunden einige Jahre den Marathon-Weltrekord bei den Damen hielt, zum Thema mentale Stärke mit folgender Aussage zitiert: „Deine mentale Stärke zu verbessern wird sich auszahlen – nicht nur beim Laufen, sondern im Leben überhaupt.“

Diese und viele andere Weltklasse-Sportler haben erkannt, dass mentales Training genauso wichtig ist wie körperliches Training – und dass sie durch die Zusammenarbeit mit professionellen Mentalcoaches ihre Leistung steigern können. Unter Hobby-Athleten ist dieses Bewusstsein für mentales Training meiner Erfahrung nach ebenfalls vielfach vorhanden, es fehlt aber noch weitgehend an der Umsetzung. Während es für fast jeden ambitionierten Freizeitsportler selbstverständlich ist, nach einem fixen Plan zu trainieren, wenden die meisten Mentaltraining erst dann an, wenn Probleme die Leistungsfähigkeit sichtlich beeinträchtigen.

Mentale Techniken helfen

Oft bekomme ich als Mentalcoach die Frage gestellt, ob denn für Hobbysportler Mentaltraining wirklich sinnvoll ist, wenn man bedenkt, dass sie mit ihrem Sport kein Geld verdienen. Klar, aber viele investieren sehr viel Zeit und Geld in ihren Sport. Und können trotz all ihrer Bemühungen ihre Leistung im Wettkampf nicht abrufen. Ihnen machen negative Gedanken, Zweifel oder Nervosität einen Strich durch die Rechnung. Es fehlt ihnen in herausfordernden Wettkampfsituationen die entscheidende mentale Stärke. Mentalcoaches bieten die passenden mentalen Techniken an, die Sportler in diesen Situationen anwenden können, um ihre Leistung auf den Punkt abzurufen. Jeder Sportler, der sich entscheidet, mit Mentaltraining zu beginnen, startet einen inneren Prozess. Dafür ist es auch notwendig, sich seinen Schwächen zu stellen, seine gewohnte Komfortzone zu verlassen und Veränderungen zuzulassen. Dass dies nicht immer einfach ist, ist verständlich. Trotzdem lohnt es sich. Und Athleten profitieren nicht nur im Sport, sondern auch im Privatleben oder im Beruf. Eine Investition in Mentaltraining zahlt sich mehrfach aus.

Versagen, wenns drauf ankommt

Ein klassisches Problem vieler Sportler ist das Versagen im Rennen. Nehmen wir als Beispiel „Nervosität an der Startlinie“. Das Symptom: Verkrampfung. Die Folge: schwächere Leistung. Die Ursache aber liegt im Kopf. Selbstzweifel, Angst vor dem Versagen und selbst gemachter Druck führen zu dieser Nervosität. Hier machen viele den Fehler, dass sie sich NICHT mit der Ursache auseinandersetzen und ihre mentalen Fertigkeiten stärken, sondern den Erfolg mit noch mehr Anstrengung und Trainingsumfang herbeiführen wollen. Das führt aber meist zum gegenteiligen Ergebnis.

In meinem ersten Beitrag zu der Serie „Mentaltraining“ gebe ich Ihnen einen kurzen Überblick darüber, in welchen Bereichen Mentaltraining Sie sportlich – und selbstverständlich auch im Leben allgemein – weiterbringen kann und welche Themenbereiche Sie in den nächsten Ausgaben erwarten.

Zone der idealen Leistung

Ein übergeordnetes Ziel von Mentaltraining besteht darin, Sie darin zu unterstützen, den Zustand idealer Leistungsfähigkeit zu erreichen, wo Sie eine Leichtigkeit in Ihren Aktionen erleben.

Vertrauen stärken

Egal ob Sie einen 10-Kilometer-Lauf oder einen Langlauf-Marathon in Angriff nehmen: Nur wenn Sie Vertrauen in Ihre Fähigkeiten haben, werden Sie Ihr persönliches Ziel erreichen. Selbstvertrauen ist keine Fügung des Schicksals, sondern lässt sich mit Mentaltraining gezielt steigern.

Fokuslenkung und Konzentration

Im Mentaltraining lernen Sie, Ihre Konzentration zu schulen. Sie werden erleben, wie viel mehr Energie Sie plötzlich zur Verfügung haben, wenn Sie Ihren Fokus im Hier und Jetzt bündeln und in die richtige Richtung lenken.

Die Macht der Gedanken

Jeder Ihrer Gedanken löst elektrochemische Abläufe in Ihrem Gehirn aus und hat dementsprechend einen entscheidenden Einfluss auf Ihre Leistung. Daher spielt dieser Bereich im mentalen Training eine wesentliche Rolle und sollte von Ihnen mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Zielsetzung

Nur wenn Sie Ihre Ziele kennen und die richtigen Schritte setzen, werden Sie diese auch erreichen. Da die richtige Zielsetzung jedoch ziemlich knifflig ist, ist es notwendig, sich damit näher auseinanderzusetzen. Es geht darum, dass Sie sich nicht nur Ergebnisziele setzen, sondern auch Leistungs- und Handlungsziele.

Erholung und Regeneration

Mentales Training kann Sie dabei unterstützen, Ihre Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. Speziell in der heutigen Zeit, wo Sie ständig einer Reizüberflutung ausgesetzt sind, ist es umso wichtiger, abzuschalten und Körper, Geist und Seele Ruhepausen zu gönnen.

Umgang mit Verletzungen

Speziell in einer Zeit, wo Sie verletzt oder krank sind und wo körperliches Training oft nicht möglich ist, unterstützt Sie mentales Training, vertrauensvoll zu bleiben und sich neu zu fokussieren. Aber auch in der Therapie kann Ihnen Kopftraining helfen, um zum Beispiel Heilungsprozesse zu beschleunigen.

Mentale Stärke ist erlernbar

Die gute Nachricht: Jeder kann seine mentalen Fertigkeiten entwickeln und ausbauen. Aber es erfordert Zeit, Arbeit und Mut, neue Wege zu beschreiten. Der frühere russische Schachweltmeister Garri Kasparow sagte einmal: „Neue Arten der Problemlösung finden wir nur, indem wir nach neuen Wegen suchen und den Mut haben, sie zu beschreiten. Natürlich führen sie nicht alle zum Ziel, doch je mehr wir experimentieren, desto erfolgreicher verlaufen die Experimente. Durchbrechen wir unsere Gewohnheiten! Auch die, mit denen wir uns eigentlich wohlfühlen, um nach neuen und besseren Methoden zu suchen.“ Nehmen wir diese Worte als Leitfaden für die kommenden Ausgaben, in denen ich auf einzelne der oben angerissenen Teilbereiche, in denen mentales Training wirksam angewendet werden kann, näher eingehen werde.

Wolfgang Seidl ist selbstständiger akademischer Mentalcoach und HeartMath®-Coach mit zwei Standorten in Österreich. Als Leistungssportler war er mehrfacher Finisher in Ironman- und Ironman-70.3-Wettkämpfen, bei Marathon-Läufen und Mountainbike-Etappenrennen. Seidl bringt dazu langjährige Wirtschaftserfahrung mit. Als Mentalcoach betreut er Einzelsportler, stressgeplagte Menschen sowie Unternehmen. Unter anderem ist er Mentalcoach von IRONMAN Austria und der Österreichischen Trailrunning-Nationalmannschaft. Er bietet seine Beratungen auch online via Skype an. www.mana4you.at

Der Artikel ist der erste Teil einer Serie, die in den kommenden Ausgaben von nordic sports fortgesetzt wird.

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