Drei „ausgemusterte“ Topsportler geben nicht klein bei: Fischabfälle auf der Überholspur

Sie nennen sich selbstironisch Fischabfälle.

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Drei ehemalige A-Kader-Athleten ­versuchen auf eigene Faust, wieder Anschluss an die Weltspitze zu erhalten. Mit ­dabei ist der „ehemalige Deutsche“ Michael Rösch.

Text Timo Dillenberger

In Nationen mit besonders starken und breiten Kadern kann sich auch ein Topathlet schnell auf der Ersatzbank namens IBU-Cup wiederfinden. Manch einer wird da „zwischengeparkt“, um ohne Welt­cupstarts Wettkampfpraxis zu sammeln oder verlorene Form zurückzugewinnen. So ­geschehen mit Michael Rösch, eines der Talente im deutschen Biathlon der 2000er Jahre, jedenfalls nach Meinung vieler ­Experten. Zusammen mit den „­lebenden Legenden“ Ricco Groß, Michael Greis und Sven Fischer holte er 2006 Staffel-Gold und sollte eigentlich mit Andi Birn­bacher die Ära deutscher Medaillen­abonnenten fortsetzen.

Der Sohn eines Biathlon-Weltmeisters schoss für sein Alter sehr sicher und lief in einer Liga mit Ole Einar Björndalen. Laut eigener Aussage war es hauptsächlich der Stress als Häuslebauer, der ihn in der Folge erst körperlich und dann auch seelisch konsequent an Stärke verlieren ließ. 2010 bei den Spielen in Vancouver wurde er – auch krankheitsbedingt – nicht einmal für eine Staffel berücksichtigt, selbst im IBU-Cup lief er hinterher. Kurz darauf zog er die Notbremse und schied auf eigenen Wunsch aus dem Nationalkader aus – auch wegen mangelndem Vertrauen des DSV.

Neue Motivation

Doch der Bundespolizist konnte nicht lange sein ohne den Leistungssport. Er fand neue Motivation, zum einen durch den Neuanfang als Spitzenmann eines ­belgischen Teams, zum anderen in seiner neuen Trainingsgruppe mit zwei nor­wegischen Sportlern, die ebenfalls nie wirklich schlecht, aber zu schwach für den ­elitären Kader geworden waren. Lars ­Berger, Bruder von Dauersiegerin Tora, hatte schon Titel im Biathlon und ­Langlauf gewonnen, zwischen den Boes und ­Svendsens konnte der eher schwache Schütze sich intern aber nicht ­durchsetzen. Ähnlich erging es einem der weniger Laufstarken der Szene: Alex Os, der immerhin schon Welt- und Europameister war.

Die drei „Ausgemusterten“ hatten nicht, wie fälschlicherweise verbreitet wurde, ­geplant, als Team bei Volksläufen ­an­zu­­treten. Es handelt sich um eine reine Trai­ningsgemeinschaft. Den Teamnamen „Feskslog“ – Norwegisch für „­Fischabfälle“ – hatten sich die drei eher spaßeshalber verpasst, um selbstironisch auf ihre Situation als „Übriggebliebene“ hinzuweisen. Mittlerweile kann man aber sogar Fanartikel des Teams samt Logo kaufen.

Ohne Trainer unterwegs

Finanziert von eigenen Rücklagen und treuen Sponsoren, reisten die Fischabfälle dem Schnee hinterher. Pyrenäen, Alpen, eine Hütte mit Holzofen in Norwegen – ohne festen Trainer spulten sie Kilometer um Kilometer ab. Die Trainingsumfänge über das Jahr 2013 müssen gewaltig gewesen sein. Von Rösch und Berger ist allgemein bekannt, dass sie dazu neigen, eher zu viel als zu wenig an sich zu arbeiten, wenn sie gesund und ungestört durch andere Projekte sind. Der Deutsche profitierte nach ­eigener Aussage ganz besonders von den Erfahrungen der Norweger. Berger war, wie gesagt, einer der Top-Läufer, Os galt (und gilt) als Meis­terschütze. Aber: Es war nie wirklich sicher, ob sich die Schinderei und finanziellen Aufwendungen ­jemals lohnten. Denn ein Startrecht kann nur der Verband erteilen. Als ­Einzel­starter anzu­treten ist nicht möglich.

Deshalb musste sich Lars Berger erst über nationale Ausscheidungen und vor­dere Platzierungen im ungeliebten IBU-Cup für eine erneute Nominierung im Weltcup empfehlen, ehe er wie Phönix aus der Asche den Weltcup in Hoch­filzen vor ­Dominator Martin Fourcade für sich entschied. Trotz zweier Fahrkarten im Stehen schlug Berger dank unfassbarer Laufleis­tung den fehlerfreien Franzosen, der allerdings wegen einer ­hohen Startnummer mit einsetzendem Schneefall sowie böigem Wind zu kämpfen ­hatte. Auch Alexander Os taucht in den Ergebnistabellen der ­Januar-Weltcups wieder auf. Rösch hingegen geht einen ganz anderen Weg.

Rösch wird Belgier

Nach langem Behörden-Lauf ist er seit dem 27. Januar durch die Unterschrift von König ­Philippe offiziell belgischer Staatsbürger. Mit internen Qualifikationen wird er sich nicht rumärgern müssen, denn Belgien verfügt derzeit weder über einen Startplatz im Weltcup noch über einen Läufer mit entsprechendem Potenzial. Das WC-Startrecht muss und will er sich sobald wie möglich durch gute Resultate im IBU-Cup sichern. Obwohl er weder Flämisch noch Französisch spricht, ist das aber nicht seine einzige ­Mission. Mit seiner Erfahrung und durch steigende Aufmerksamkeit der belgischen Medien soll nach und nach ein schlagkräftiger ­Biathlon-Kader entstehen. Geplant war, mit einer Staffel bereits in Sotschi anzu­treten, der Verband hatte aber bis Redak­tionsschluss noch kein Team gemeldet. Trotzdem haben sich die Mühen für das „Team Fischabfälle“ wohl gelohnt!

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Michael Rösch
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Lars Berger Fotos: diamant24 - Fotolia.com, IMAGO
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Alexander Os

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Dieser Artikel ist aus der Ausgabe: nordic sports Nr. 02 / 2014